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Immobilien richtig vererben: Interview mit Rechtsanwalt R. Näbig zu Erbschaftsfragen

Rechtsfragen hinsichtlich des Themas Erbschaft, Erbe und Schenkung sind komplex und häufig setzen sich Menschen erst viel zu spät damit auseinander. Dabei gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, die eigenen Anliegen und Wünsche generationsübergreifend zu verwirklichen. Wir haben uns mit Rechtsanwalt Roger Näbig unterhalten, der mit fast 30jähriger Berufserfahrung im Familien- und Erbrecht auch im Miet- und WEG-Recht tätig ist. Wir sind Herrn Rechtsanwalt Näbig sehr dankbar, dass er seine Expertise mit uns geteilt- und uns einen solch tiefen Einblick in das Erbrecht gewährt hat.  

Herr RA Näbig, das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält umfangreiche Regeln zum Erbrecht. Der Ehepartner und die leiblichen Kinder sind als Erben bereits ausdrücklich vorgesehen, muss man da überhaupt noch etwas durch ein eigenes Testament regeln?

Wie der Jurist immer so schön sagt: Es kommt darauf an. Wenn nur Bargeld vorhanden ist und die Aufteilung sich somit einfach gestaltet, braucht man eher nichts weiter zu regeln. Ganz anders sieht das aber schon bei gemischten Vermögen mit Immobilien aus. Denn laut den Regelungen im BGB erben zwei oder mehr Erben alles gemeinsam zur sog. „gesamten Hand“. Das bedeutet, dass eine Immobilie, sei es nun eine Eigentumswohnung, Ein- oder Mehrfamilienhaus, allen gemeinsam gehört, alle darüber gemeinsam entscheiden müssen und im Falle eines anhaltenden Streits über die Immobilie sogar die Teilungsversteigerung durch einen der Erben droht. Hier kann man mit einem Testament gegensteuern und eine Immobilie zum Beispiel nur einem Erben zuweisen und den anderen einen Ausgleichsanspruch gewähren. Auf jeden Fall sollte man für solche Konstellationen anwaltlichen Rat einholen und nicht versuchen, etwas juristisch „selbst zu stricken“. 

Immer wieder taucht die Frage auf, ob man ein Testament nicht schnell am Computer oder mit der Schreibmaschine schreiben kann und dann einfach unterschreibt. Der Notar verfasst auch eine maschinengeschriebene Urkunde, die dann nur unterschrieben werden muss.


Ein solches „Testament“ ist unwirksam mit der Folge, dass allein die gesetzlichen Regelungen wieder Anwendung finden. Für ein privates Testament ist es unbedingt erforderlich, dass dieses von Anfang bis Ende handschriftlich niedergeschrieben und am Schluss mit Datum und Unterschrift versehen wird. Mehrere Seiten sollten durchnummeriert, fest verbunden und die einzelnen Seiten jeweils unten noch einmal mit einem Namenskürzel versehen werden (Paraphe). 

Bei einem notariellen Testament sorgt der/die Notar/in durch den Beurkundungsvorgang (Vorlesen des Textes, Befragen und Unterschrift des Erblassers) für ein wirksames Testament i.S.d. BGB, selbst wenn dieses maschinengeschrieben ist. 

Wenn man eine Immobilie heute käuflich erwerben oder verkaufen will, ist eine notarielle Beurkundung zwingend erforderlich. Gilt das Gleiche bei einem Testament, mit dem man eine Immobilie vererben will?

Wie in der Frage davor bereits indirekt ausgeführt, kann jeder ein privatschriftliches Testament wirksam errichten, wenn dabei bestimmte Formalien eingehalten werden. Die notarielle Beurkundung eines Testamentes ist auch bei Immobilienvermögen nicht erforderlich, allerdings birgt die Beurkundung den Vorteil, dass es im Erbfall in der Regel nicht zum Streit über die Wirksamkeit des Testamentes kommen dürfte, da sich ein/e Notar/in grundsätzlich vor der Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit der/s Erblasserin/s überzeugt und auch im beschränkten Umfang rechtliche Hinweise erteilen kann. Eine erbschaftssteuerrechtliche Beratung kann ein Notar allerdings nicht geben. 

Erbt der Partner bzw. Lebensgefährte automatisch, wenn man stirbt?

Vorsicht, dies ein weit verbreiteter Irrtum. Nur wer verheiratet ist oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, ist als überlebender (Ehe)Partner erbrechtlich privilegiert. Allerdings erbt der (Ehe)Partner selten allein, wenn Kinder bzw. noch Eltern des Erblassers vorhanden sind. Das deutsche Erbrecht sieht für den überlebenden (Ehe)Partner beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Regelfall) grundsätzlich einen 25%igen Erbanteil und einen pauschalen 25%igen Zugewinnausgleich durch Beendigung der Ehe bei Tod des Erblassers vor. 

Unverheiratete/Unverpartnerte gehen insoweit komplett leer aus, sie erhalten nicht automatisch einen Erbanteil, vielmehr sieht das Erbrecht sie als fremde Dritte an. Selbst wenn der Erblasser sie ausdrücklich im Testament als Alleinerben bestimmt, gewähren ihnen die Steuergesetze nur geringe Freibeträge und verlangen hohe Erbschaftsteuern. 

Eheleute können ein sogenanntes „Berliner Testament“ errichten. Was versteht man darunter und ist dieses erb- und steuerrechtlich immer sinnvoll?

Es handelt sich bei dem Berliner Testament und ein gemeinschaftliches Ehegattentestament, in dem sich die Eheleute in der Regel gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des zuletzt Versterbenden das/die gemeinsame Kind/er zu Schlusserben bestimmen. Diese Art der Erbeinsetzung birgt aber einige Gefahren, denn das/die Kind/er werden in der Erbfolge übergangen und haben nach dem Tod des ersten Elternteils einen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Überlebenden. Das Berliner Testament ist unwirksam, wenn die Eheleute gemeinsam oder zeitlich kurz hintereinander aufgrund des gleichen Ereignisses versterben, z.B. bei einem Verkehrsunfall. Außerdem kann der überlebende Ehepartner sich nach dem Tod wieder neu verheiraten, sodass das/die Kind/er in diesem Fall ein geschmälertes Erbe erhalten würden, da der neue Ehepartner des überlebenden Elternteils wiederum selbst erbberechtigt ist. Schließlich können beim Berliner Testament die dem Ehegatten und dem/den Kind/ern zustehenden Freibeträge nicht ausreichend berücksichtigt werden. Alle diese beispielhaft genannten Probleme beim Berliner Testament lassen sich aber durch eine umfassende anwaltliche Beratung und entsprechende Formulierungen im Testament lösen. 

Wenn man schon vor dem Erbfall Vermögen, vornehmlich Immobilien verschenkt und z.B. auf die eigenen Kinder oder den (Ehe)Partner überträgt, dann verliert man doch auch eventuelle Einkünfte und/oder kann die Immobilie nicht mehr selbst nutzen?

Auch hier kann man bereits im Vorfeld rechtlich gegensteuern. Zunächst sei der sogenannte Nießbrauch erwähnt, der ins Grundbuch eingetragen wird. Hinter diesem etwas antiquiert anmutenden Begriff verbirgt sich die Möglichkeit, den verschenkten Gegenstand weiter, auch persönlich, zu nutzen und eventuelle Einnahmen aus einer Fremdvermietung zu behalten, obwohl die Immobilie einem anderen gehört. Kommt es einem nicht so sehr auf die Einnahmen an, sondern allein auf den Verbleib in der Wohnung oder dem Haus, ist die Eintragung eines bloßen Wohnrechts im Grundbuch möglich. Ein Verkauf ist dem neuen Eigentümer sowohl beim Nießbrauch als auch beim Wohnrecht zwar grundsätzlich möglich, aber wirtschaftlich kaum sinnvoll, weil beide Rechte auch beim Verkauf bestehen bleiben und ein neuer Käufer hiervon eher abgeschreckt wird, weil er auf lange Sicht die Immobilie nicht wird nutzen können. 

Sollte man denn überhaupt Vermögen bzw. Immobilien noch zu Lebzeiten verschenken, um im Erbfall anfallende Erbschaftsteuer zu sparen?

Das ist derart pauschal nicht zu beantworten. Es kommt immer auf die individuelle Vermögenssituation des/r Erblassers/in an. Grundsätzlich hat jedes leibliche Kind einen steuerrechtlichen Freibetrag i.H.v. €400.000,-, ein überlebender (Ehe)Partner sogar €500.000,-, der alle 10 Jahre durch eine Schenkung zu Lebzeiten genutzt werden kann. Bei drei nahen Familienangehörigen kann man somit schon einmal €1.300.000,- steuerfrei verschenken bzw. im Todesfall vererben, ohne das Schenkungs- bzw. Erbschaftsteuer anfallen. Weiterhin gilt es zu beachten, dass die von den (Ehe)Partnern gemeinsam bewohnte Immobilie unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen (10 Jahre dort wohnen, kein Verkauf in dieser Zeit) sogar gänzlich steuerfrei vererbt werden kann und der Freibetrag i.H.v. €500.000,- zusätzlich erhalten bleibt. Selbst an Kinder kann eine selbstgenutzte Immobilie völlig steuerfrei unter Erhalt der Freibeträge und Beachtung bestimmter Bedingungen (sofort einziehen, 10 Jahre dort wohnen, kein Verkauf in dieser Zeit) vererbt werden, wenn die Wohnfläche 200qm nicht übersteigt. Selbst wenn die Wohnung oder das Einfamilienhaus größer ist, muss ein Kind nur den über 200qm liegenden Wohnungsanteil anteilig versteuern.  

Kann ich einen missliebigen nahen Verwandten einfach enterben bzw. bei der Erbfolge übergehen, so dass er auch wirklich nichts bekommt?

In dieser Frage sind gleich drei Dinge miteinander vermischt worden, die so nicht zusammenpassen. Von Enterbung spricht man, wenn eine Person, die nach den Vorschriften des BGB als Erbe berufen wäre, im Testament nicht bedacht wird oder sogar ausdrücklich von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wird. Meistens handelt es sich um Kinder, manchmal aber auch um den anderen (Ehe)Partner, denen man kein Erbe zuteilwerden lassen möchte. Aber Vorsicht: den Kindern und dem anderen (Ehe)Partner steht in diesem Fall immer der sogenannte Pflichtteil zu, der sich auf 50% des gesetzlichen Erbteils beläuft. Will der Erblasser erreichen, dass noch nicht einmal der Pflichtteil gewährt werden soll, dann müssen hohe Hürden genommen werden, die in § 2333 BGB in vier Unterpunkten aufgezählt werden. Darunter fällt z.B. das Trachten nach dem Leben des Erblassers, seines (Ehe)Partners oder eines anderen Abkömmlings, alternativ die körperliche Misshandlung oder ein schweres Verbrechen bzw. schwere vorsätzliche Straftat gegen den Erblasser und/oder dessen (Ehe)Partner.

Im Zuge der Corona-Pandemie sind viele ältere Menschen verstorben. In einigen Fällen bestand noch der Wunsch, ein Not-Testament zu machen, da ein/e Notar/in nicht hinzugezogen werden konnte. Gibt es das überhaupt und wie kann man dieses wirksam errichten?

Das BGB sieht für diese außergewöhnlichen Fälle ein sogenanntes „Drei-Zeugen-Testament“ vor. Wenn sich ein Patient in akuter Lebensgefahr befindet, kann er/sie mit Hilfe des Krankenhauspersonals auch ohne Notar ein Nottestament in Gegenwart von drei Zeugen errichten, indem der/die Erblasser/in seinen letzten Willen diesen drei Personen gegenüber erklären muss. Die Zeugen fertigen sodann eine Niederschrift des mündlich geäußerten Erblasserwillen an, lesen es vor und vergewissern sich durch Nachfrage der Richtigkeit. Danach müssen alle drei Zeugen das Dokument eigenhändig unterschreiben. Sollte der/die Erblasser/in selbst nicht mehr unterschreiben können, so ist seine/ihre Unterschrift nicht erforderlich. 

Aber Vorsicht! Übergangene Erben könnten in solch einem Fall immer einwenden, dass der/die Erblasser/in unter Umständen aufgrund seines/ihres Gesundheitszustandes gar nicht mehr testierfähig war. Für solche Fälle sollte vorsorglich eine ärztliche Stellungnahme in der Patientenakte vorliegen, die sich zur Testierfähigkeit des/der Erblasserin äußert. 

Ist man denn an ein einmal errichtetes Testament den Rest seines Lebens gebunden?

Nein. Der Erblasser kann seinen letzten Willen jederzeit widerrufen, indem das Testament z.B. zerrissen oder durch ein anders lautendes Testament ersetzt wird. 

Diese Vorgehensweise ist jedoch für den Testierenden zu Lebzeiten bei dem weiter oben bereits besprochenen „Berliner Testament“ oder einem notariellen Erbvertrag nicht so einfach möglich. Beim Erbvertrag ist nach Beurkundung eine Änderung zu Lebzeiten aller Parteien nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt, möglich. Bei einem Berliner Testament erlischt die Widerrufsmöglichkeit der wechselbezüglichen Verfügungen spätestens mit dem Tod des ersten Ehepartners. Allerdings kann man im Berliner Testament durch entsprechende Regelungen eine juristische „Hintertür“ einbauen, die dem Überlebenden z.B. eine Änderung der Schlusserbeneinsetzung ermöglicht. In diesen Fällen sollte sich aber auf jeden Fall anwaltlicher Rat eingeholt werden. 

Kann mich mein geschiedener Ehepartner noch beerben?

Nein, das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung  beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Spätestens mit Rechtskraft des Scheidungsurteils sind die familien- und erbrechtlichen Bande zwischen den noch lebenden, ehemals Verheitrateten/Verpartnerten endgültig gekappt. 

Sind Adoptivkinder voll erbberechtigt?

Ein minderjähriges Kind verlässt mit der rechtswirksamen Adoption familien- und erbrechtlich seine ursprüngliche Familie vollständig und tritt mit allen Rechten und Pflichten in die neue Familie der Adoptiveltern mit allen Abkömmlingen ein. Das adoptierte Kind wird nach dem Tod eines Familienangehörigen der „neuen“ Familie somit zum „vollwertigen“ Erben. 

Anders sieht es bei Volljährigen aus, die zumeist von kinderlosen Paaren adoptiert werden sollen, um u.a. Erbschaftsteuern im Todesfall durch die Adoption als „Kind“ zu sparen. Sollten sie eine solche Adoption ins Auge fassen, sollten sie unbedingt einen Anwalt hinzuziehen. 

Wie sichere ich meine minderjährigen Kinder beim Tod beider Elternteile ab, so unwahrscheinlich dieser vielleicht auch sein mag?

Die sorgeberechtigten Eltern können z.B. in einem Testament durch eine sog. Vormundbestimmung bzw. letztwillige Sorgeverfügung einen Vormund für das/die minderjährigen Kinder bestimmen aber auch bestimmte Familienmitglieder als Vormund ausdrücklich ausschließen. Zudem können die Eltern dem Vormund konkret aufgeben, wie das/die Kind/er und dessen/deren Vermögen zu behandeln sind. Das Familiengericht ist bei der Bestellung des Vormundes an den ausdrücklich geäußerten Willen der Eltern gebunden. 

Herr Rechtsanwalt Näbig, eine letzte Frage: Würden Sie zur Errichtung einer Patientenverfügung und/oder einer Vorsorgevollmacht raten?

Unbedingt! Wenn sie selbst entscheiden wollen, wie, wann und wo sie aus dem Leben scheiden wollen, dann ist eine Patientenverfügung ein absolutes Muss. Überlassen sie diese schweren Entscheidungen nicht ihren Kindern und/oder dem (Ehe)Partner. Gerichte und Mediziner verlangen allerdings für eine wirksame Patientenverfügung bestimmte Vorgaben, die unbedingt eingehalten werden sollten. So sind z.B. Vordrucke aus dem Internet mit der Möglichkeit zum Ankreuzen bestimmter Auswahlmöglichkeiten nicht ausreichend. 

Auch eine Vorsorgevollmacht sollte unbedingt erstellt werden. Es ist z.B. ein weit verbreiteter Irrtum, dass Eheleute untereinander im Krankenhaus vertretungsberechtigt sind bzw. verbindlich über „Leben oder Tod“ des anderen entscheiden dürften. Durch eine Vorsorgevollmacht können sie auch ein Gericht bei der Wahl eines eventuell zu benennenden Betreuers binden. Außerdem gibt die Vollmacht dem Bevollmächtigten die Möglichkeit, für sie bestimmte Angelegenheiten des täglichen Lebens verbindlich zu regeln, z.B. Vertragsangelegenheiten oder Behördengänge. Bitte beachten sie aber, dass gegenüber Banken i.d.R. nur deren eigene Vollmachtsformulare wirksam sind. 

Vielen Dank für Ihre Zeit und das spannende Interview!

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