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Mehrfamilienhaus geerbt - Halten vs. Verkauf: Dies sollten Sie beachten

Das Erbe eines Mehrfamilienhauses oder eines Wohn- und Geschäftshauses sorgt in der Regel für Trauer-Hoffnung-Ernüchterung - in dieser Reihenfolge. Um die Ernüchterung in einen nachhaltigen finanziellen Erfolg umzumünzen, gilt es einiges zu beachten. Bitte beachten Sie, dass es sich bei den folgenden Ausführungen lediglich um Problemdarstellungen und keine steuerliche Beratung handelt. Eine Hinzuziehung von einem Steuerberater bzw. entsprechenden Experten ist zu empfehlen - wenngleich die Erbschaft eines Mehrfamilienhauses einer interdisziplinären Beratung bedarf. 

 

Grundsätzlich ist beim Erbe eines Mehrfamilienhauses (MFH) zu entscheiden, ob ein Verkauf oder das Halten und Entwickeln vorteilhaft ist. Dafür sind folgende Prüfschritte wichtig: 

Step 1: Zunächst muss die Erbschaftssteuer ermittelt bzw. geschätzt werden

Der Verkehrswert eines MFH als Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer wird zwingend nach dem Ertragswertverfahren ermittelt. Eine Überblick zum Ertragswertverfahren erhalten Sie hier. Bei reinen Wohnhäusern ist 90% des ermittelten Wertes anzusetzen. Bei Gewerbeobjekten oder gemischt genutzten Objekten ist der Gewerbeanteil herauszurechnen und/oder entsprechend mit 100% anzusetzen. Je nach Verwandtschaftsgrad kommen unterschiedliche Freibeträge und Steuersätze zur Anwendung – lesen Sie hierzu auch gerne unser kürzlich veröffentlichtes Interview mit Rechtsanwalt R. Näbig.

Step 2: Finanzierung der Erbschaftssteuer planen

Nachdem Sie eine Größenordnung der Erbschaftssteuer ermittelt haben, sollten Sie sich Gedanken zur Finanzierung dieser machen. Können Sie die Erbschaftssteuer aus Eigenmitteln bezahlen oder wollen/müssen Sie einen Kredit aufnehmen? Beginnen Sie hiermit so zeitig wie möglich - denn wurden Sie einmal aufgefordert die Erbschaftssteuererklärung abzugeben (ca. 3 Monate nach Kenntnisnahme vom Erbfall) oder haben Sie den Erbschaftssteuerbescheid mit entsprechender Zahlungsfrist (ca. 1 Monat) bereits erhalten, bleibt kaum Zeit, um eine rationale und wohl überlegte Entscheidung zu treffen. Panikverkäufe, weil Unterlagen fehlen oder unvorteilhafte Kreditfinanzierungen angeboten werden, sind unbedingt zu vermeiden.

Step 3: In diesem Schritt gilt es die Objektunterlagen anzufragen, zu sichten, zu dokumentieren und -digitalisieren

Ansprechpartner in diesem Zusammenhang sind Verwaltungen, das zugehörige Bauamt und Architekten. Zu den nötigen Unterlagen gehören die Folgenden: 

 

 Mietverträge 

✓ Übergabeprotokolle 

✓ Letzte Mieterhöhungsvereinbarungen 

✓ Mieterliste mit qm-Wohnfläche, Nettokaltmiete, Nebenkostenvorauszahlungen und dem Vertragsende 

✓ Kautionslisten 

✓ Angabe zu Modernisierungen 

✓ Energieausweis 

✓ Betriebs- und Heizkostenabrechnung 

✓ Monats- und Jahresabrechnung 

✓ Grundrisse und Schnitte 

✓ Berechnungen zur Wohnfläche 

✓ Bodenrichtwert (im Internet recherchieren/Gutachterausschuss befragen) 

✓ Grundbuchauszug anfragen und Kaufdatum prüfen (damit Sie die Immobilie steuerfrei weiterverkaufen können, sollte das Kaufdatum mindestens 10 Jahre zurückliegen) 

✓ Rechtsform des Erblassers (Privatperson vs. GmbH) 

✓ Lageplan (Internet) 

✓ Grundsteuerbescheid (FA) 

✓ Einheitswertbescheid (FA) 

✓ Letzte Steuererklärung des Erblassers mit Angabe der jährlichen Abschreibung! 

✓ Belastung der Immobilie prüfen (Grundschuld) und Kontrolle von Kreditverträgen

Step 4: Nun sollte ein Gutachter beauftragt- und ein Gutachten erstellt werden, sofern das Objekt spezifische Eigenschaften aufweist, die nicht dem „Durchschnitt“ entsprechen

Hierzu zählt etwa ein Instandhaltungsrückstau, niedrige Mieten, nicht gewollter Leerstand etc. 

Es empfiehlt sich alle zuvor genannten Unterlagen für einen Sachverständigen vorzubereiten und Kontakt zu einem vom Finanzamt anerkannten Sachverständigen aufzunehmen. Ob ein kostenpflichtiges Gutachten letztendlich nötig ist, hängt vom Einzelfall ab. In den meisten Fällen ist dies zu empfehlen - jedoch sollte mindestens für den Fall eines unvorteilhaften Steuerbescheids ein entsprechender Auftrag fristgerecht vorbereitet sein. Bitte beachten Sie, dass entsprechende Kosten vorher zu besprechen und einzuplanen sind.

Step 5: Im folgenden Schritt sollte eine Entscheidung in puncto Verkauf vs. Halten und Entwickeln getroffen werden

Das sollten Sie vor Ihrer Entscheidung wissen: 

Sie übernehmen die Abschreibung vom Erblasser: je länger der Kauf zurückliegt, desto geringer ist in der Regel die jährliche Abschreibung. Ggf. wurde das Objekt auch schon komplett abgeschrieben. Daher haben geerbte Immobilien oftmals einen steuerlichen Nachteil. 

Dieser Nachteil wird noch vergrößert, wenn sie einen Kredit zur Finanzierung der Erbschaftssteuer aufnehmen müssen: denn die Fremdkapitalzinsen eines Kredits zur Zahlung der Erbschaftssteuer können sich steuerlich nicht ansetzen lassen (Werbungskosten können nicht gegen Mieteinnahmen angesetzt werden - anders als beim fremdfinanzierten Kauf). Eine Kreditaufnahme lohnt sich also nur, wenn Sie das Objekt halten wollen und nicht über ausreichend Eigenkapital zur Zahlung der Steuerschuld verfügen oder wenn Sie davon ausgehen mit dem Eigenkapital eine höhere Rendite zu erwirtschaften (Bsp. bei steigenden Wertpapierkursen bzw. Dividenden und/oder entsprechenden Inflationserwartungen). 

Ferner wäre zu bewerten, welches Entwicklungspotenzial das Objekt bietet. Hier wäre u.a. zu prüfen, inwiefern Folgendes möglich ist:

  • Anbau
  • Dachgeschossausbau
  • Mieterhöhungen
  • Modernisierungen

Gründe für einen Verkauf

Gründe sich für den Verkauf einer geerbten Immobilie zu entscheiden könnten sein, dass das Objekt bereits steuerfrei verkauft werden kann oder steuerlich komplett oder fast abgeschrieben ist. Verfügt der Erbe über nicht ausreichend liquide Mittel und muss in diesem Zusammenhang einen hohen Kredit zur Finanzierung der Erbschaftssteuer aufnehmen, sollte sich ebenfalls überlegt werden, ob es nicht sinnvoller ist die Immobilie zu verkaufen. Weitere Gründe könnten wenig Entwicklungspotenzial für Mietsteigerungen, ein Instandhaltungsrückstau, keine professionelle Verwaltung und geringe eigene Erfahrungswerte sein. Eine große Entfernung zum Objekt kann ebenfalls eine Schwierigkeit darstellen, diese kann durch eine professionelle Verwaltung jedoch behoben werden. 

 

Entscheidend sind vor allem die Abwägungen, was sie alternativ mit einem Verkaufserlös machen könnten. Der Kauf eines neuen MFH hat den Vorteil, dass neue steuerliche Abschreibung generiert wird und durch die Aufnahme eines Kredits die abzugsfähige Ansetzung von Fremdkapitalzinsen die Eigenkapitalrendite erhöht. Ferner besteht die Möglichkeit das Vermögen zu diversifizieren und beispielsweise einen Teilbetrag in Aktien zu investieren oder das Vermögen auf mehrere Immobilien zu verteilen. 

 

Die großen Nachteile von geerbten Immobilien sind also die Abschreibung und die fehlenden Möglichkeiten Finanzierungskosten der Erbschaftssteuer anzusetzen. 

Gründe für das Halten einer Immobilie

Entscheidungen hinsichtlich des Haltens einer Immobilie sollten unter verschiedenen Gesichtspunkten gut überlegt werden. Zum einen ist die Möglichkeit Mieterhöhungen innerhalb der bestehenden Mietverhältnisse durchzuführen von besonderer Wichtigkeit und sollte unbedingt gegeben sein. Zum anderen sollte es möglich sein, Modernisierungen durchführen zu können, die idealerweise fremdfinanziert werden. Generell sollte das Renditepotenzial größer als die Zinsaufwendungen sein. Hierbei sollten vorhandene Fremdkapitalzinsen, sofern diese nicht als Werbungskosten absetzbar sind, schnellstmöglich getilgt werden bzw. ein Zinsvorteil durch geeignete Investitionen genutzt werden. Darüber hinaus könnte sich mit der Option der Ehegattenschaukel beschäftigt werden, d.h. einem Verkauf an Ehepartner ohne Grunderwerbssteuer. Hierbei entstehen neue Abschreibungsmöglichkeiten.

Die 5 wichtigsten Tipps

1. Ergebnisoffen den Verkauf oder das Halten der Immobilie prüfen 

2. Erträge der Immobilie nach Steuern berechnen 

3. Ertragspotenzial des Objektes ermitteln und als Basis dafür Unterlagen frühzeitig anfordern/zusammensuchen 

4. Möglichen Verkaufserlös prüfen 

5. Experten konsultieren, aber auch selbst informiert sein, da kaum jemand allumfassend beraten kann (Steuerberater, Rechtsanwälte, Finanzierungsberater, Immobilienverwalter)

Die 5 größten Fehler

1. Emotionale Entscheidungen unter Zeitdruck treffen und voreingenommen vor einem Verkauf zurückweichen 

2. Dokumente nicht rechtzeitig anfordern 

3. Entscheidungen vermeintlichen „Experten“ überlassen 

4. Von Mieteinnahmen ohne Berücksichtigung der Steuern täuschen lassen 

5. Objekt passiv verwalten lassen ohne Entwicklungspotenzial zu nutzen

Haben Sie Fragen zur Verwaltung oder zum Verkauf Ihrer geerbten Immobilie? Schreiben Sie uns gerne an info@vonkathen.de oder vereinbaren Sie eine unverbindliche Erstberatung.

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